Die Zeichen stehen auf Wechsel. In Nordmazedonien könnten bald eine rechtsgerichtete Regierung und eine rechtsgerichtete Präsidentin an die Macht kommen. Am Mittwoch findet die zweite Runde der Präsidentschaftswahl zeitgleich mit der Parlamentswahl statt. Die erste Runde der Präsidentschaftswahl gewann Gordana Siljanovska-Davkova mit 41,2 Prozent der Stimmen haushoch gegen den sozialdemokratischen Amtsinhaber Stevo Pendarovski, der nur rund 20 Prozent der Stimmen erhielt.

Gordana Siljanovska Davkova gewann den ersten Wahldurchgang haushoch.
AFP/ROBERT ATANASOVSKI

Viele der Wähler und Wählerinnen, die den fünf anderen Kandidaten ihre Stimme gegeben hatten – insbesondere Albaner und Albanerinnen –, dürften zwar bei der Stichwahl für Pendarovski stimmen, aber es ist unwahrscheinlich, dass er Siljanovska-Davkova noch einholen kann. Auch die Umfragen für die Parlamentswahl weisen darauf hin, dass die regierenden Sozialdemokraten (SDSM) mit Verlusten rechnen müssen und die rechtskonservative VMRO-DPMNE nach acht Jahren wieder an die Macht kommt.

Sie muss aber auch mit einer der albanischen Parteien koalieren – etwa ein Viertel der Bevölkerung in Nordmazedonien spricht Albanisch, die meisten anderen die mazedonische Sprache. Die albanische Partei VLEN ("Es ist das wert!") hat sich bereits als Koalitionspartner für die VMRO angeboten, die stärkste albanische Partei DUI kommt nicht infrage. Entscheidend ist auch die Partei Znam ("Ich weiß") des Bürgermeisters von Kumanovo, Maksim Dimitrievski, der vor ein paar Jahren aus Enttäuschung die Sozialdemokraten verließ. Auch Znam könnte mit der VMRO koalieren.

Der zu erwartende Rechtsruck in Nordmazedonien stellt einen deutlichen Richtungswechsel dar. Die in den vergangenen Jahren regierenden Sozialdemokraten versuchten ethnischen Fragen wenig Bedeutung beizumessen. Das hat sich nun bereits im Wahlkampf stark geändert. Die DUI wirft etwa der VMRO vor, "antialbanisch" zu agieren, weil diese die Korruption in den DUI-Reihen anprangerte.

Opfer fehlgeleiteter EU-Politik

Die Sozialdemokraten, die nach 2015 noch mit einer Reformagenda antraten, wurden vor allem Opfer einer völlig fehlgeleitenden Politik der EU-Staaten. Denn die Aufbruchsstimmung ab 2015, die Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit und die EU-Beitritts-Aussicht für den kleinen Staates mit etwa zwei Millionen Einwohnern wurden durch die Vetopolitik Frankreichs und Bulgariens zunichtegemacht. Seit Jahren verhindert Bulgarien nämlich, dass Nordmazedonien mit den EU-Verhandlungen tatsächlich beginnen kann und verlangt, dass die Verfassung im Nachbarstaat geändert wird und die Bulgaren in der Verfassung als Volksgruppe verankert werden.

Die Sozialdemokraten wären dazu bereit gewesen, doch die VMRO hat das bislang ausgeschlossen. Man lasse sich von dem großen Nachbarland nicht demütigen, meinte VMRO-Chef Hristijan Mickoski. Tatsächlich mischte sich Bulgarien mit seiner rechtsgerichteten Identitätspolitik in die Innenpolitik in Nordmazedoniens ein, aber den eigentlichen Sündenfall begingen die anderen EU-Staaten – allen voran Frankreich –, die den bulgarischen Forderungen nachgaben, obwohl diese nichts mit dem EU-Recht zu tun haben.

Die Wählerinnen und Wähler wandten sich in den vergangenen Jahren enttäuscht von der SDSM ab. Denn das Versprechen der Sozialdemokraten bald in die EU aufgenommen zu werden, wurde nicht erfüllt, obwohl Nordmazedonien bereits seit 2005 den Kandidatenstatus inne hat und längst – wie etwa Kroatien – Teil der Union sein könnte. Viele Mazedonierinnen und Mazedonier sind angesichts der nicht eingehaltenen Versprechen der EU mittlerweile auch EU-skeptisch geworden.

Man darf nicht vergessen, dass vor fünf Jahren das mazedonische Parlament für das Prespa-Abkommen mit Griechenland stimmte und damit die Änderung des Staatsnamens von Mazedonien in Nordmazedonien festgelegt wurde – ein weltweit einzigartiger Schritt, der nur deshalb möglich war, weil die Leute dachten, dass er den Weg in die EU freimachen würde. Griechenland hatte sich davor jahrelang an dem Namen Mazedonien gestoßen und den Weg des Landes in die Nato und die EU blockiert. Doch weil auch die Namensänderung das Land nicht der EU näherbrachte, fühlt man sich nun vollends und zu Recht verraten. Extreme Parteien wie etwa die Levica ("Linke"), die mit dem Kreml-Regime liebäugelt, können dadurch punkten.

Viele ohne Pässe

Die Namensänderung hat noch dazu den Bürgerinnen und Bürgern Nachteile gebracht. Denn viele von ihnen haben nun keine gültigen Reisedokumente mehr, weil im Februar 2024 die Frist ablief, innerhalb derer der Name des Staates im Reisedokument von Mazedonien auf Nordmazedonien hätte geändert werden müssen. Aus bürokratischen und organisatorischen Gründen wurde die Ausstellung der Dokumente nämlich verzögert. Nun können Personen, die aus beruflichen Gründen ins Ausland reisen müssen, aber auch Urlauber und Studierende, nicht verreisen.

Offen bleibt, wie eine neue rechtsgerichtete Regierung mit dem bulgarischen Veto umgehen wird. Denn der mögliche Koalitionspartner, die albanische VLEN, wird wohl darauf bestehen, dass der Weg zu den Beitrittsverhandlungen geebnet wird. Auch die VMRO wird also unter Druck kommen, die bulgarischen Forderungen zu erfüllen.

Die VMRO-DPMNE ist jedoch keine durchschnittliche konservative Partei, sondern pflegt enge Verbindungen zur ungarischen rechtspopulistischen Fidesz von Viktor Orbán und ist ideologisch auch eher in der Nähe der Fidesz verortet. Es ist also damit zu rechnen, dass Nordmazedonien auch in gesellschaftspolitischen Fragen weit nach rechts rücken wird. Eines der wichtigsten Themen im Wahlkampf war die Korruption. Auch in der vergangenen Regierung unter dem sozialdemokratischen Regierungschef Dimitar Kovačevski gab es zahlreiche Korruptionsskandale. (Adelheid Wölfl, 7.5.2024)