Sie können das, womit eigentlich jemand anderer berühmt wurde: auf dem Wasser gehen. Diesen Einstieg habe ich abgekupfert, muss ich gestehen. Ich finde ihn so wunderbar, dass ich ihn mir vom deutschen Landesverband für Umwelt und Naturschutz in Bremen ausgeborgt habe. Die Rede ist von Wasserläufern, also diesen langhaxigen Insekten, die man derzeit wieder auf den Oberflächen vieler Teiche und Tümpel hektisch herumflitzen sieht. Oft kommt es zu einem regelrechten Massenauflauf beim Speeddating.
Eine unserer Lieblingsspazierrunden im südlichen Burgenland führt um einen elf Hektar großen Fischteich herum, der seit zwanzig Jahren nicht abgefischt wurde. Wir angeln nicht, aber hier gibt es alles, was das Petriherz begehrt: Karpfen, Wels, Stör, Amur, Zander, Weißfisch. Im Wasser sollen sich ordentliche Kapazunder tummeln. Auch wenn Schwimmen erlaubt wäre, würde meine Badehose trocken bleiben. Es gibt ja auch vom sicheren Ufer aus einiges im und rund ums Wasser zu entdecken. Vergangenes Wochenende haben wir innerhalb einer halben Stunde einige Enten, viele Frösche, eine Ringelnatter und Myriaden von Wasserläufern getroffen.
Ruckartige Fortbewegung
Wasserläufer (Gerridae) sind weder Schnaken noch Eintagsfliegen, auch wenn sie mit ihren langen Beinen ein wenig so aussehen. Wasserläufer sind ein eigener Familienclan aus der Unterordnung der Wanzen. Es sind Landwanzen, die im Gegensatz zu Süßwasserwanzen nicht im, sondern auf dem Wasser leben. Hier ernähren sie sich, und hier paaren sie sich. In Österreich gibt es mehrere Arten von Wasserläufern, die sich hauptsächlich durch ihre Größe (sechs bis 20 Millimeter) unterscheiden.
Bei näherem Hinsehen fällt auf, dass das mittlere Beinpaar am längsten ausgebildet ist, es dient dem Antrieb – ähnlich synchron und ruckartig wie bei einem Ruderboot. Mit dem hinteren Beinpaar wird gesteuert, die beiden kurzen, vorderen Beine sind Beutegreifer. Wasserläufer ernähren sich mit ihren Saugrüsseln hauptsächlich von ins Wasser gefallenen Insekten. Ob sie selbst mit Angriffen aus der Tiefe rechnen müssen, konnten wir am Fischteich nicht klären. Ein Angler hat uns erzählt, dass Fische nach Wasserläufern schnappen, ein anderer hingegen hat das noch nie beobachtet. Bei Gefahr können Wasserläufer jedenfalls gut 30 Zentimeter weit oder hoch springen.
Wasserabweisende Härchen
Aber nun zur wichtigsten Frage: Wie haben sich Wasserläufer ihren Namen verdient? Die Fliegengewichte nutzen die Oberflächenspannung des Wassers, aber ihre wahre Superkraft entsteht durch feinste Härchen am ganzen Körper, die das Wasser abweisen. Diese Härchen befinden sich auch an den Tarsen (letzter Abschnitt der Beine von Gliederfüßern), was ihnen ein sehr schnelles Dahingleiten auf dem Wasser ermöglicht. Nicht noch ein Wunder also, aber eine wunderliche Spezialisierung der Evolution. (Michael Simoner, 17.4.2024)