Mann beim Fensterputzen
Bild mit Seltenheitswert: Hausarbeit bleibt in Österreich stärker an den Frauen hängen als in vielen anderen europäischen Ländern.
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Der Termin der Veröffentlichung versteht sich gewissermaßen als Provokation. Am 12. Mai ist Muttertag, da wollte die Initiative "Diskurs – das Wissenschaftsnetz" einen Kontrapunkt setzen. Denn geht es um die Verteilung der familiären Arbeit, gebe es aus Sicht der Mütter wenig zu feiern: Die Kinderbetreuung bleibt hauptsächlich an den Frauen hängen – mit schlechteren Berufschancen und körperlicher wie mentaler Belastung als Folge.

Diese Schieflage ist, zumindest im heimischen Ausmaß, kein Naturgesetz. Zwar gebe es kein Land in der industrialisierten Welt, wo die unbezahlte Arbeit wirklich egalitär zwischen den Geschlechtern aufgeteilt sei, sagt Sonja Dörfler-Bolt vom in Wien ansässigen Institut für Familienforschung (ÖIF), doch die Kluft sei unterschiedlich groß. Besonders anschaulich lässt sich das zeigen, indem man etwa Österreich mit Schweden vergleicht – und genau das hat Dörfler-Bolt in ihrer neuen Studie getan.

88 zu 16 für Schweden

Die Zahlen sprechen Bände. Das beginnt bei der in Schweden "deutlich stärkeren" Anbindung der Mütter an den Arbeitsmarkt, wie die Forscherin ausführt. Während im skandinavischen Staat die Hälfte der Frauen mit Kindern unter drei Jahren arbeitet, tut das Österreich nur etwa ein Drittel. Hierzulande sind 35 Prozent der Mütter weder in Karenz noch im Berufsleben, in Schweden beträgt der Anteil lediglich ein Viertel.

Andere Seite der Medaille: In Schweden nehmen stolze 88 Prozent der Väter nach Geburt jedes Kindes "Elternzeit" zu Hause. In Österreich hingegen sind gemessen am Bezug des Kinderbetreuungsgeldes nur 16 Prozent aller Väter, deren Kinder 2019 geboren wurden, irgendwann in Karenz gegangen. Fortschritt lässt sich aus den aktuellen Zahlen nicht herauslesen – im Gegenteil. Mit Stichtag im heurigen März machten die Männer unter allen Bezieherinnen und Beziehern des Kinderbetreuungsgeldes gerade einmal 3,3 Prozent aus, sagt Dörfler-Bolt: Das sei der niedrigste März-Wert der letzten 15 Jahre.

Nach anderen Kriterien geht der Trend zumindest sanft in Richtung mehr Gleichberechtigung. Gaben Frauen 2013 noch um 61 Prozent häufiger als Männer an, regelmäßig zu kochen und Hausarbeit zu machen, so betrug die Differenz mit Stand 2022 "nur" mehr 55 Prozent (siehe Grafik unten). Doch in Schweden schrumpfte die Kluft im gleichen Zeitraum von 30,4 auf auf 17,4 Prozent. Auch der EU-Durchschnitt – von 50,4 auf 46,3 Prozent – spiegelt ein egalitäreres Bild wider.

Das wirft die Frage nach dem Warum auf. An einer aufgelegten Erklärung – dem hierzulande traditionellen Rollenverständnis – kommt auch Dörfler-Bolt nicht vorbei. Wieder gibt es Daten zur Unterfütterung. Im Jahr 2017 – so die letztverfügbaren Daten – stimmten in Österreich immer noch fast 57 Prozent der Aussage zu, dass das Familienleben unter einem Fulltime-Job der Mutter leide. In Schweden vertraten diese Meinung nur 16 Prozent.

Jahrzehnte hintennach

Doch wie lässt sich diese Einstellung rascher ändern, als dies bis dato geschieht? An Kampagnen à la Halbe-halbe glaube sie nur begrenzt, sagt die Expertin. Sie hofft vielmehr darauf, dass der Veränderung von Gesetzen auf kurz oder lang auch die gesellschaftlichen Konventionen folgen – sprich: Die Politik müsse die Karenzregeln so gestalten, dass sie zur Auflösung der klassischen Geschlechterrollen beitragen.

Gemäß Dörfler-Bolts Analyse hinkt Österreich dem progressiven Schweden da mitunter um Jahrzehnte hinterher. Nicht nur die Einführung einer kurzen, aber mit 80 Prozent des Einkommens gut dotierten Variante des Kinderbetreuungsgeldes – eine wichtige Voraussetzung für höhere Väterbeteiligung – erfolgte viel später. Erst seit diesem Jahr gilt nicht zuletzt dank einer EU-Richtlinie die Regel, dass die volle Karenzzeit von zwei Jahren nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn die Väter zumindest zwei Monate übernehmen. Bis zu diesem Meilenstein habe stets das "Mantra der Wahlfreiheit" Fortschritt verhindert, sagt Dörfler-Bolt und empfiehlt, derartige Anreize auszubauen.

Neuland für viele Paare

Auf ein mitunter vermutetes Phänomen könne man die ungleiche Verteilung der unbezahlten Arbeit hingegen nicht schieben, knüpft die Soziologin Gerlinde Mauerer von der Universität Wien an. Aus qualitativen Befragungen von 42 Paaren mit Kindern liest sie heraus: "Wir sehen überhaupt nicht, dass Frauen die Männer nicht an die Familienarbeit und Kinderbetreuung heranlassen." Vielmehr sei zu bemerken, dass Väter oft länger brauchten, um ins Planen hineinzukommen, und eher "als Dienstleister statt als Selberdenker" im Alltag fungierten. Mütter hätten oft klarere Vorstellungen – und kompensierten, dass die Arbeitgeber oft nach wie vor nicht damit rechneten, dass ihre männlichen Angestellten viel Zeit für Kinderbetreuung aufwenden könnten. So bleibe auch kognitive Arbeit vermehrt an den Frauen hängen.

Unterm Strich sei der Versuch, Familienarbeit geschlechtergerecht aufzuteilen, für Elternpaare "Neuland", folgert Mauerer aus ihren Tiefeninterviews, sieht aber Grund zur Hoffnung: "Erste väterliche Reflexionsversuche finden statt." (Gerald John, 7.5.2024)