Kyren Wilson posiert, seine Söhne sitzen auf dem Snookertisch und werfen Konfetti
Mit seinen zwei Söhnen freut sich Kyren Wilson über die WM-Trophäe.
AFP/OLI SCARFF

Als Kyren Wilson drei Jahre alt war, schenkten ihm die Eltern ein Golfset aus Plastik. Anstatt den Ball den Flur entlangzudreschen, legte der Bub ihn auf den Couchtisch. Seine Hand platzierte er etwas davor und den Griff des Schlägers auf die Kerbe zwischen Daumen und Zeigefinger. Ohne Anweisung, rein mit der Intuition eines Kindes, spielte Wilson mit dem Set nicht Golf, sondern Billard.

Gute Entscheidung. Im Alter von 32 Jahren krönte sich Wilson am Montag zum Weltmeister der Billard-Variante Snooker. Seit Jahren zählt der Engländer zur Weltspitze, doch auf ganz großer Bühne gegen ganz große Gegner zog er bisher den Kürzeren. Sein WM-Titel kam überraschend wie das frühe Aus mehrerer Favoriten, darunter der siebenfache Champion Ronnie O'Sullivan.

Den Traum einer Profikarriere musste Wilson in jungen Jahren fast verwerfen. Das Geld war knapp, die Familie wollte ihrem Sohn die Karriere aber um jeden Preis ermöglichen. Sie verpfändeten ihr Haus, um die Anreise und das Nenngeld von Turnieren bezahlen zu können. "Sie haben ihr ganzes Leben geopfert, um mich hierherzubringen", sagte Wilson nach dem WM-Triumph.

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Der Ruf eines Weltmeisters

Wilson wuchs in Kettering auf, einer Stadt auf halbem Weg zwischen London und dem WM-Ort Sheffield. Der Vater spielte Pool-Billard und nahm seinen Sohn oft ins Pub mit, auch wenn Kinder dort am Billardtisch so verpönt waren wie im Ruhebereich der Therme Laa an der Thaya. In einem Schaukampf spielte Wilson, da war er gerade einmal sechs Jahre alt, ein Match gegen Weltmeister Peter Ebdon – und gewann. Ebdon legte der Familie nahe, das Talent ihres Kindes zu fördern. Die Familie sagte sich: Einem Weltmeister widerspricht man nicht.

Im Vorfeld der WM erlitt Wilsons Ehefrau einen Schlaganfall, einer ihrer beiden gemeinsamen Söhne hatte einen Unfall in der Schule. In einem mentalen Sport wie Snooker ist es umso bemerkenswerter, wie Wilson private Sorgen wegstecken konnte und im Crucible Theatre von Sheffield zur Höchstform auflief. Am Montagabend posierte Wilson nicht nur mit der Trophäe, sondern auch mit Eltern, genesener Ehefrau und Kindern.

Wilson kassierte für den Titel rund 600.000 Euro Preisgeld. In der Siegerrede bat er Finalgegner Jak Jones, den er mit 18:14 bezwungen hatte, um Entschuldigung. Wilson hatte nach dem verwandelten Matchball zu laut gejubelt. (Lukas Zahrer, 7.5.2024)