Olaf Scholz
"Das ist alles nicht hinnehmbar und zwar in keinem Fall – egal gegen welche Partei sich das richtet", so Scholz.
AP/Ebrahim Noroozi

Potsdam/Berlin – Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Menschen in Deutschland aufgerufen, Angriffe auf Politiker nicht tatenlos hinzunehmen. "Gewalt bedroht die Demokratie, und deshalb müssen wir dagegen zusammenstehen als Bürgerinnen und Bürger", sagte Scholz am Samstag in Potsdam. "Das ist alles nicht hinnehmbar und zwar in keinem Fall – egal gegen welche Partei sich das richtet." Der deutsche Regierungschef fügte hinzu: "Wir dürfen nicht achselzuckend denken, es wird schon nicht so schlimm sein." Natürlich müssten auch die Sicherheitsorgane etwas tun. Es gehe um eine Mischung.

Serie von Angriffen

Die Serie von Angriffen auf Politiker und Wahlkampfhelfer in Deutschland hatte zuletzt Entsetzen ausgelöst. In Dresden wurde der SPD-Wahlkämpfer Matthias Ecke krankenhausreif geschlagen, die Grüne Kommunalpolitikerin Yvonne Mosler beim Aufhängen von Wahlplakaten angerempelt und bedroht. In Berlin wurde nach einer Attacke auf SPD-Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey ein Verdächtiger vorläufig in der Psychiatrie untergebracht. Auch AfD-Politiker waren Ziele von Attacken.

Die AfD in Bayern musste am Samstag eine Wahlkampfveranstaltung verlegen, nachdem ein Wirt in Miesbach kurzfristige eine Zusage für seinen Biergarten zurückgenommen hatte. Auf Anfrage begründete er den Schritt mit Anfeindungen und permanenten Bedrohungen. In Halle in Sachsen-Anhalt wurde der Grünen-Landtagsabgeordnete Wolfgang Aldag am Freitag an einem Infostand seiner Partei von einem Betrunkenen bedroht. Eine Atemkontrolle habe bei dem 39-Jährigen einen Wert von mehr als vier Promille ergeben, teilte die Polizei mit.

Schutz für Kommunalpolitiker

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser bekräftigte, dass Kommunalpolitiker besser vor Angriffen geschützt werden müssten. "Es ist gut, dass Schutzkonzepte der Polizei vielerorts hochgefahren, Streifen verstärkt und feste Ansprechstellen für bedrohte Kommunalpolitiker und Ehrenamtliche eingerichtet wurden", sagte die SPD-Politikerin der Zeitung "Welt am Sonntag". Sie habe zugesagt, dass der Bund die deutschen Bundesländer mit der Bundespolizei an anderen Stellen weiter stark entlasten werde – etwa bei großen Demonstrationseinsätzen, bei Fußballspielen und anderen Lagen.

Deutschlands Finanzminister Christian Lindner beklagte eine allgemeine Zunahme von Aggressivität. "Die Verrohung auch jenseits von Attacken ist offensichtlich", sagte der FDP-Chef den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. In seinen Veranstaltungen gebe es inzwischen regelmäßig vor allem linke Gruppen, die nicht mehr diskutieren, sondern nur lärmen oder blockieren wollten. Bedroht fühle er sich aber nicht. "Ich verändere auch mein Verhalten nicht", so Lindner, der als Finanzminister unter Personenschutz steht.

Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der europäischen Christdemokraten, Manfred Weber (CSU), sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wir erleben eine Radikalisierung in der politischen Auseinandersetzung, die auch zu Gewalt auf der Straße führt." Die Kräfte der demokratischen Mitte müssten jetzt zusammenrücken. "Wir müssen den Rechtsstaat durchsetzen mit allen Instrumenten, die wir haben."

Auch die Opferschutzorganisation Weißer Ring rief dazu auf, gegen Hass- und Gewaltparolen stärker vorzugehen. "Wer noch Zweifel hatte, ob Gewalt im Internet irgendwann auch Menschen in der analogen Welt gefährlich werden kann, sollte spätestens jetzt eines Besseren belehrt sein", sagte Bundesgeschäftsführerin Bianca Biwer der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Mainz. "Hass ist keine Meinung", betonte sie. "Es ist unsere Pflicht, ihn in jeder Form zu bekämpfen: ob digital oder analog." (APA, 12.5.2024)